Neben der Entwicklung einer Bewertungskomponente war die Unterstützung der Wissenskommunikation mit ein Ziel in diesem Projekt. Hierbei handelt es sich weniger um den Akt der Wissensübermittlung von einem Individuum zu einem anderen, als um eine gemeinsame, durch technische Hilfsmittel gestützte Nutzung und Verbesserung der verteilten Wissensressourcen.
Experten haben meist implizierte Grundorientierungen (Werthaltungen), die sie im Gespräch mit anderen Experten i.d.R. nicht näher erläutern. Dies führt dazu, daß sie ihre Modelle oft in einer Weise beschreiben, die den Aufbau eines entsprechenden gedanklichen Modells bei den Teampartnern nicht erleichtert, sondern eher behindert. Solange die Teilnehmer eines Arbeitsteams nicht über ein umfassendes gemeinsames (mentales) Modell verfügen, ist jedoch eine produktive Kooperation kaum zu erwarten. Auch bei der Entwicklung disziplinübergreifender Kausalmodelle ist mit impliziten Grundorientierungen der Projektteilnehmer zu rechnen. Diese Situation ist im Hinblick auf Interdisziplinarität zu bewältigen.
Nach Daschkeit ist Interdisziplinarität "die geregelte Form der Kooperation verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen. Die Themenzentrierung steht hier während des gesamten Forschungsprozesses im Mittelpunkt. Interdisziplinarität ist gekennzeichnet durch die Verschränkung von Sach- und Organisationsebene und erfordert einen überaus hohen Anteil an Kommunikation zwischen den Wissenschaften." Interdisziplinarität ist also überwiegend ein "zu organisierender Prozeß, der als eigenständige wissenschaftliche und organisatorische Aufgabe betrachtet werden muß." Daneben darf aber nicht unterschätzt werden, daß Interdisziplinarität zu einem geringeren Teil auf sich selbstorganisierenden Prozessen beruht, die in der Regel nicht planbar sind.(Vgl. Daschkeit, 1996, S. 12 )
Die Forschungsgruppe Technik und Gesellschaft im Forschungsverbund Lebensraum Stadt hat vier Methodenthesen zur Interdisziplinarität aufgestellt, deren Berücksichtigung auch für die Umsetzung von Interdisziplinarität im Rahmen des WAVES-Projektes hilfreich sein könnte. (Vgl. Minx et. al. 1993, S. 55 ff )
These 1:
Komplexe Probleme können nur ganzheitlich und in interdisziplinär
arbeitenden Teams gelöst werden.
Hiervon wird sowohl die Förderung des Blicks für größere
Zusammenhänge erwartet als auch die angemessene Beurteilung von
Detailkenntnissen.
Mit der Teamarbeit ist die Hoffnung verbunden, daß das Zusammentreffen
verschiedener Denkstile, Fragestellungen und heterogener Betrachtungsweisen
schöpferische Impulse setzt.
Die Gestaltung des Forschungsprozesses sollte folgendermaßen aussehen:
Ganzheitliche und interdisziplinäre Ergebnisse eines Forschungsverbundes
müssen im Gegensatz zum traditionellen Vorgehen, bei dem das bloße
kapitelweise Zusammenfügen von Teilprojektergebnissen für
Interdisziplinarität
stand, gemeinsam erarbeitet, diskutiert und präsentiert werden. Das
Ziel ist eine intensive Zusammenarbeit, nach Möglichkeit auch
räumlich,
während der gesamten Projektlaufzeit.
Alle Beteiligten sollten mit dem Bedürfnis ausgestattet sein, die
Phänomene des Untersuchungsgegenstandes als Ganzes zu verstehen.
Aufgabe der Prozeßkonzeption ist, die spezifischen Aspekte der vertretenen
Fachrichtungen zu einer ganzheitlichen Problemsicht und integrierten
Problemlösungsstrategie
zusammenzuführen.
These 2
Nur durch bewußte Ausrichtung auf Prozesse der Kommunikation kann
eine Integration interdisziplinärer Teams gelingen.
Ausgegangen wird hier von der Überzeugung, daß interdisziplinäre
Arbeit im Innersten von Kommunikation zusammengehalten wird. Die verschiedenen
Disziplinen beziehen sich zwar auf gleiche Phänomene, haben aber dazu
unterschiedliche Definitionen. Die Unterschiede in den Begrifflichkeiten
und Definitionen treten erst durch Diskussionen zutage und können
hier u.U. angeglichen, zumindest aber nachvollziehbar werden. Zusätzlich
wird durch den Prozeß der Kommunikation das Sprachvermögen der
einzelnen Beteiligten bereichert, wodurch die Erkenntnisfähigkeit
des einzelnen gesteigert werden kann.
These 3
Problemlösungsbeiträge sind heute vor allem von der
Zusammenführung
schon vorhandenen Fachwissens zu erwarten. Es ist davon auszugehen,
daß Detailwissen in den einzelnen Disziplinen in ausreichender Fülle
vorhanden ist. Ein weitergehender Schritt ist es, dieses Wissen auszuwerten
und zusammenzufügen.
These 4
Die Szenario-Technik liefert ein geeignetes methodisches Leitbild für
die interdisziplinäre und zukunftsorientierte Problembearbeitung.
Szenarien sollen widerspruchsfreie Bilder möglicher Zukünfte
liefern. Sie sollten aus Kommunikationsprozessen hervorgegangen sein.
Prozeßorientierung,
vorausschauende Sichtweise auf Problemfelder, Handlungsorientierung und
Ganzheitlichkeit kennzeichnen die Szenariotechnik. Ein gemeinsam entworfenes
Bild gibt Orientierung.