Kurzbeschreibung des Forschungsvorhabens WAVES

Einleitung

Der semi-aride Nordosten Brasiliens gehört zu den bedeutsamen Problemregionen dieser Welt. Unter schwierigen natürlichen, insbesondere klimatischen Bedingungen (z.B.El Niño Phänomen) haben sich in den vergangenen Jahrhunderten Sozialverhältnisse herausgebildet, die wenig geeignet erscheinen, auf die sich gegenwärtig verschärfenden sozialen und ökologischen Krisen in dieser Region mit geeigneten Strategien zu antworten.
In diesem Spektrum von problematischen natürlichen und sozialen Lebensbedingungen entwickelten sich Bewältigungsmechanismen, deren Wert für individuelle wie gesellschaftliche Lösungskonzepte höchst fraglich geworden sind. Gemeint sind in erster Linie Migrationsprozesse, die, weit jenseits aller Formen traditioneller Kompensationswanderung und geplanter Arbeitsmigration, als Landflucht nicht nur die Krisenhaftigkeit der Nordostregion vertiefen, sondern ebenso die Zielregionen (vor allem die Küstenmetropolen und die Metroploen des Südens Brasiliens) vor unlösbare soziale und ökonomische Probleme stellen. Migration ist hier primär als Ergebnis der Defizite an Lebensqualität im ländlichen Raum zu verstehen und bewirkt und verstärkt zugleich - im Sinne von Rückkoppelung - die entscheidenden Entwicklungshemmnisse für den Nordosten Brasiliens, die sich in ökonomischer Stagnation, fehlende soziale und ökonomische Modernisierung sowie infrastrukturelle Defizite in allen lebenswichtigen Bereichen ausdrücken.
Die Intransparenz und Komplexität der Zusammenhänge von natürlichen, sozialen und ökonomischen Problemfeldern im Nordosten Brasiliens hat dazu geführt, daß sich bislang keine Entwicklungspfade herausbilden konnten, welche die nachhaltige Nutzung der regionalen Ressourcen sowie ein Mindestmaß an existentieller Lebensqualität in der ländlichen Lebenswelt auch nur ansatzweise sicherstellen könnten.
Das Rahmenkonzept zum Forschungsprogramm WAVES wurde von deutschen und brasilianischen Wissenschaftlern gemeinsam erarbeitet. Auf deutscher Seite sind Vertreter des Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), der Universität Hohenheim, der Gesamthochschule Kassel, der FH-Köln, der TU München und der Firma Hydroisotop und auf brasilianischer Seite Wissenschaftler der Bundesuniversitäten in Ceará (UFC), Piauí (UFPI) und der Staatlichen Universität von Ceará (UECE) sowie des Meteorologisschen Institutes von Ceará (FUNCEME), der Wasserbehörde von Piauí (DHME), der Gesundheitsbehörde (FNS) und der Agrarwissenschaftlichen Behörde (EMBRABA) beteiligt.
Das Forschungsprogramm wird auf deutscher Seite vom Bundesministerium für Bildung, Forschung und Technologie (BMBF-DLR) und auf brasilianischer Seite durch das Conselho Nacional de Desenvolvimento Científico e Tecnológico (CNPq) gefördert.
Die Hauptprojektphase begann am 1. August 1997 und endet am 31. Juli 2000.
Zur organisatorischen Struktur von WAVES siehe Abbildung 1.

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Abb. 1: Organisationsstruktur von WAVES

 
 

Zielsetzung und Vorgehensweise

Im Programm WAVES sollen am Beispiel semiarider Regionen der Staaten Piauí und Ceará, mögliche Pfade einer nachhaltigen, gemeinsamen Entwicklung von Natur und Gesellschaft aufgezeigt werden. Dies ist erforderlich, um soziale Adaptationsprozesse zu erleichtern, die der von stark begrenzten Ressourcen, von ausgeprägten Klimavariationen und von u.a. hieraus resultierenden, sozialen Streß-Situationen gekennzeichneten Gesamtlage angemessen sind.
In einem interdisziplinären Ansatz sind hierzu Grundzüge des bestehenden Systemgefüges auszuarbeiten und Strategien zu einer nachhaltigen Systemsteuerung zu entwickeln. Ein weiteres Ziel ist - unter Berücksichtigung von Wechselwirkungsprozessen - Potentiale möglicher, tragfähiger Entwicklungen sozialer und natürlicher Systeme herauszufinden bzw. zu detaillieren.

Im Hinblick auf die Komplexität der Aufgabe wurde eine Projektgruppe mit sechs Fachbereichen eingerichtet: die Fachbereiche sind für die Analyse der verschiedenen Systemkomponenten (Klima, Wasser, Boden, Pflanze, Mensch) bzw. für die Integration der Fachbereichsergebnisse (Landschaftsökologie, Integrierte Modellierung) verantwortlich und deshalb eng miteinander verbunden. Einige Fachbereiche, die sehr umfangreiche Problemstellungen zum Gegenstand haben, sind nochmals in Arbeitsgruppen unterteilt worden.
In den Ausarbeitungen werden fachbereichsweise sozialwissenschaftliche, wirtschaftswissenschaftliche sowie naturwissenschaftliche Ansätze verbunden. Sie haben die Beschreibung naturräumlicher und sozialer Gegebenheiten, die Bewertung von Systemen und Systemwechselwirkungen sowie die Beschreibung besonders sensitiver Systemzusammenhänge zum Ziel. Sie ermöglichen somit eine gemeinsame Definition und Wertung von „Lebensqualität" als Ausdruck des dynamischen Beziehungsgefüges von ökologischen, sozialen und ökonomischen Rahmenbedingungen.
Ziel ist die Integration der Teilergebnisse sowie die thematische Ableitung von Systemzusammenhängen, die dem Bereich der integrierten Modellierung als Grundlage zur Darstellung von Zusammenhängen in einem zu entwickelnden Gesamtsystem dienen.

Für die hieraus resultierenden übergeordneten Ziele des Gesamtprojektes sollen von den beteiligten Fachbereichen Leitlinien für Szenarien ausgearbeitet, Probleme benannt und Lösungsstrategien abgeleitet werden. Diese sind auf der Basis bestehender Ressourcen und Randbedingungen - soweit diese in überschaubaren Zeiträumen als stabil angenommen werden können - als realisierbare Beiträge der Mensch-Umwelt-Interaktion unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit von Ressourcenmanagement und Entwicklungspotentialen gesellschaftlicher Systeme zu formulieren.
Über den interdisziplinären Ansatz des Programmes WAVES wird bereits im ersten Schritt die fachbereichsübergreifende Bewertung der in den Einzeldisziplinen erarbeiteten Detailergebnisse ermöglicht. Die Zusammenführung in ein integriertes Modell dient zunächst der Gewinnung des Verständnisses von Wirkungszusammenhängen und dann der gemeinsamen Ausarbeitung von Problemlösungsstrategien, die Regionalplanern die Abschätzung der Auswirkungen von Entscheidungen auf natürliche Ressourcen, Volkswirtschaft und Landflucht erleichtern sollen.
Wegen des thematisch durchaus in einem sensiblen Bereich angesiedelten Forschungsgegenstandes erfordert die Projektbearbeitung im Programm WAVES in besonders hohem Maße eine gemeinsame Bearbeitung des Themas durch  brasilianische und deutsche Wissenschaftler.

Fachbereiche

Im Hinblick auf die Komplexität der Aufgabe wurden in der Projektvorphase sechs Fachbereiche eingerichtet, die für die Analyse der verschiedenen Systemkomponenten (Klima, Wasser, Boden, Pflanze, Mensch) bzw. für die Integration der Fachbereichsergebnisse (Landschaftsökologie, Integrierte Modellierung) verantwortlich zeichnen und eng miteinander verbunden sind (vgl. Abbildung 2).


 
Abb. 2: Arbeitsgruppen und ihre Zielstellungen

 

Erwartete Ergebnisse

Übergeordnetes Ziel des Programmes ist die Analyse der Wechselwirkungen zwischen Wasserverfügbarkeit, Lebensqualität der ländlichen Bevölkerung und Migration. Aufbauend auf der Kenntnis von Wirkungszusammenhängen, müssen diese in verallgemeinernde Modelle umgesetzt und zu einem Integrierten Modell zusammengefaßt werden.
Ein solches Integriertes Regionalmodell kann in Verbindung mit einem Geographischen Informationssystem Regionalplanern und politischen Entscheidungsträgern helfen, wissenschaftlich fundierte Problemlösungsstrategien für die Bundesstaaten Ceará und Piauí zu entwickeln. Das Integrierte Modell soll den regionalen Entscheidungsträgern die Möglichkeit geben, die ökonomischen und sozialen Folgen ihrer Entscheidungen besser abschätzen zu können. Da Modelle notgedrungen einen vereinfachend-abstrahierenden Charakter haben und nicht der Tiefe und Differenziertheit der Problemstellungen gerecht werden können, wird es eine Reihe von Einzelstudien geben, die ein präziseres Verständnis der Modellzusammenhänge ermöglichen werden.
 
 
 

Last modified on: 12-May-2000